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COwLEARNING ist ein 5-jähriges Forschungsprojekt, das sich mit einer nachhaltigen Versorgung von Rindfleisch und Milch in Österreich beschäftigt. Das Projekt startete im März 2022. In der Kette der Rindfleisch- und Milchversorgung gibt es viele Handelnde, die sich gegenseitig Fehler zuschreiben. Wir wollen mit unserem Projekt COwLEARNING diese Schuldzuweisungen durchbrechen und mögliche Veränderungen ausloten, indem wir wissenschaftliches Wissen von den Universitäten mit dem Erfahrungswissen aus Produktion, Verarbeitung, Handel, Gastronomie und Konsumzusammenbringen. Gemeinsam suchen wir nach Wegen der Veränderung und schauen uns dazu verschiedene Innovationen an.

Warum ist das Projekt COwLEARNING wichtig?

Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen wie der Begrenzung des Klimawandels und der Anpassung an seine Folgen, der Sicherung einer gesunden Ernährung und dem Erhalt von Kulturlandschaften mit hoher Biodiversität.

In Österreich, mit seinem hohen Anteil an Wiesen und Weiden, ist die Haltung von Rindern besonders bedeutend, steht jedoch vor besonderen Herausforderungen:

  • Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt
  • tiergerechte Haltung und Schlachtung
  • Antibiotikaeinsatz und -resistenzen
  • gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier
  • Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie Einkommen
  • Preisdruck, internationaler Wettbewerb und unfaire Nutzenverteilung
  • vermehrtes Wegwerfen von Fleisch- und Molkereiprodukten

Eine nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem geht diese Herausforderungen an.

Warum gibt es Probleme im Bereich der Rindfleisch- und Milchversorgung?

Die Entwicklungen der letzten 70 Jahre waren geprägt durch Produktivitätszuwächse, Technisierung, Spezialisierung und Intensivierung, aber auch Strukturwandel und Globalisierung. Unsere Bildungs- und Politiksysteme, Steuer-, Förderstrukturen haben diese Entwicklungen verstärkt.

Die hervorgebrachten Marktmechanismen auf nationaler und internationaler Ebene schränken den bäuerlichen Handlungsspielraum ein, fördern Konflikte und Konkurrenz, üben Druck auf alle Mitglieder der Versorgungskette aus und schaffen Abhängigkeiten.

Nutzungsansprüche wie Energieproduktion und Siedlungsentwicklung verschärfen Konflikte um Boden.

Polarisierung und gegenseitiges Unverständnis der Akteure nehmen zu. Es kann zu Konflikten zwischen folgenden Interessen und Zielen kommen:

  • der Ruf nach billigen Lebensmitteln
  • fehlende Kostenwahrheit
  • der zunehmende Bedarf an vertrauenswürdiger Produkt-Information
  • ressourceneffiziente Strukturen
  • vielfältige gesellschaftliche Ansprüche (Tierwohl, Umwelt, Gesundheit)

Machtungleichgewichte, fehlende Interaktionen zwischen Produktion und Konsum sowie der Verlust an Wissen, Fähigkeiten und Fachpersonal entlang der gesamten Versorgungskette verstärken dies. Das gegenseitige Unverständnis zeigt sich auch in der Unsicherheit darüber, was als nachhaltig gelten kann und was nicht.

Wie könnten Innovationen ausschauen?

Das könnten zum Beispiel sein:

  • Weidehaltung statt reiner Stallhaltung
  • Kuh-Kalb-Kontakte: das Kalb bleibt nach der Geburt zunächst bei der Kuh
  • mobile Schlachthöfe
  • Cow-Sharing: ein Rind wird erst dann geschlachtet, wenn all seine Teile restlos verkauft wurden
  • Milch- und Fleisch-Ersatzprodukte
  • und noch vieles mehr

Zielsetzung

Ziel des Projektes ist es, gemeinsam mit wesentlichen Interessensgruppen Wege zu finden, wie eine

  • tiergerechtere
  • ökologischere
  • ökonomischere und
  • sozial nachhaltigere

Milch- und Fleischproduktion gefördert werden kann.

Im Zentrum des Projektes steht eine Serie von Workshops, die gleich mehrere Ziele verfolgen:

  • Weichenstellungen für die Analyse (Diskussion zur Auswahl von Nachhaltigkeits-Innovationen, Indikatoren und deren Gewichtung für die integrierte Bewertung)
  • Entwicklung von Szenarien für eine zukunftsfitte Rindfleisch- und Milchversorgung Österreichs
  • Entwicklung und Spielen eines neuen Rinderspiels, das dazu einlädt, sich spielerisch mit den Möglichkeiten und Beschränkungen von Veränderungen auseinanderzusetzen
  • Projektergebnisse auf ihre Praxisrelevanz reflektieren und diskutieren

Forschungsansatz

Wir wollen mit dem Projekt COwLEARNING mögliche Veränderungen ausloten, indem wir wissenschaftliches Wissen von den Universitäten mit dem Erfahrungswissen aus Produktion, Verarbeitung, Handel, Gastronomie und Konsum zusammenbringen.

  • Wir veranstalten gemeinsame Workshops. Zusammen suchen wir nach möglicher Veränderung und schauen uns dazu verschiedene Innovationen an.

Ablauf

Zwischen 2022 und 2027 erfolgen:

  • Aufbau einer Übergangsarena („Transition Arena“) – eines umfangreichen Stakeholder-Netzwerkes entlang der Wertschöpfungskette Rindfleisch- und Milchversorgung. In der Übergangsarena sind Vertreter:innen der Wissenschaft, aus dem Futtermittelbereich, der Zucht, aus landwirtschaftlichen Betrieben, der Schlachtung, der Verarbeitung, der Vermarktung, der Gastronomie, der Bildung und des Konsums.
  • Ermittlung von Treibern von Veränderungsprozessen in der Vergangenheit
  • Analyse des Wohlbefindens von Mensch und Tier
  • Analyse der Umweltauswirkungen
  • Analyse der Sozioökonomie und der Steuerungs- und Regelungsmechanismen in der Wertschöpfungskette
  • eine integrierte und vergleichende „farm-to-fork“ Bewertung von Nachhaltigkeits-Innovationen
  • eine Analyse einschlägiger Optionen/Limitation für das Wachstum von Nachhaltigkeits-Innovationen

Inhalte

Die Projektinhalte werden in verschiedenen Arbeitspakten bearbeitet:

1. Aufbau einer Übergangsarena - eines umfangreichen Stakeholder-Netzwerkes entlang der Wertschöpfungskette Rindfleisch- und Milchversorgung.

Im Projekt COwLEARNING arbeiten wir transdisziplinär. Also Wissenschafter:innen mit Praktiker:innen auf Augenhöhe, um gemeinsam zu lernen und gemeinsam neues Wissen aufzubauen. Dazu braucht es eine Transition Arena. Dort kommen wir zusammen: Vertreter:innen der Wissenschaft, aus dem Futtermittelbereich, der Zucht, aus landwirtschaftlichen Betrieben, der Schlachtung, der Verarbeitung, der Vermarktung, der Gastronomie, der Bildung und des Konsums zusammen.
Miteinander diskutieren und definieren wir Visionen, Szenarien und Übergangspfade und überlegen gemeinsam, welche Auswahl an innovativen Betrieben, Projekten und Aktivitäten wir genauer betrachten möchten.
Außerdem entwickeln wir ein Serious Game, um uns dem Problem spielerisch zu nähern.

2. Ermittlung von Treibern von Veränderungsprozessen in der Vergangenheit

Wir schauen uns die langfristigen Veränderungen der österreichischen Milch- und Fleischversorgungsketten seit den 1950er Jahren an. Wir wollen verstehen, wie, warum und mit welchen Konsequenzen sich Produktion, Vertrieb und Konsum von Lebensmitteln aus Rinderhaltung verändert haben. Und gehen der Frage nach, warum Nachhaltigkeits-Innovationen umgesetzt wurden oder nicht.

Wir werden Sekundärdaten und Literatur auswählen, um vergangene Entwicklungen darzustellen. Dabei berücksichtigen wir:

  • den globalen und gesellschaftlichen Hintergrund
  • die Tiergesundheit, den Tierschutz und die Tierhaltung
  • die Umweltsituation
  • die soziale und wirtschaftliche Situation
  • die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen

Durch eine integrierende Analyse dieser Entwicklungen und ihrer Wechselbeziehungen werden die wichtigsten Treiber vergangener Übergänge identifiziert.

3. Analyse des Wohlbefindens von Mensch und Tier

Wir führen eine umfassende Bewertung durch von:

  • Wohlergehen von Kälbern, Kühen und Bullen
  • Wohlergehen der mit ihnen interagierenden Menschen
  • der jeweiligen Mensch-Tier-Beziehungen

Dies geschieht in den landwirtschaftlichen Betrieben und am Schlachtbetrieb. Der Transport wird berücksichtigt.  Wir vergleichen verschiedene innovative Praktiken mit Referenzpraktiken und führen eine integrierte Analyse über verschiedene Ebenen der Produktionskette durch.

Wir bewerten das Wohlergehen von Mensch und Rind, entlang der Lieferkette und über die gesamte Lebensspanne der Tiere. Darüber hinaus bewerten wir neben Mainstream-Systemen auch Nachhaltigkeits-Innovationen, für die noch keine Daten vorliegen (z. B. Kuh-Kalb-Kontaktsysteme, integrierte Milch- und Rindfleischproduktion). Es folgt eine Analyse über verschiedene Ebenen der Wertschöpfungskette hinweg: landwirtschaftlicher Betrieb, Transport, Schlachtung.

4. Analyse der Umweltauswirkungen

Wir bewerten die Umweltleistung und Ressourceneffizienz von verschiedenen innovativen Ketten im Vergleich zu Referenz-Rindfleisch-Molkereiketten. Viele Nachhaltigkeits-Innovationen sind noch nicht umfassend auf verschiedene Umweltauswirkungen untersucht worden. Die Lebenszyklusanalyse (LCA) als „Nachhaltigkeits-Entscheidungshilfe“ ist für eine praktikable Anwendung auf landwirtschaftlichen Betrieben auf wenige ökologische Aspekte beschränkt. Um diese Einschränkung zu überwinden, kombinieren wir Lebenszyklus-Indikatoren mit weiteren 20 bis 30 maßgeblichen Kennzahlen, sogenannten „Key Performance Indicators“ für verschiedene ökologische Nachhaltigkeitsthemen. Dabei orientieren wir uns an den SAFA-Richtlinien der FAO, passen diese jedoch den österreichischen Rinderbetrieben an. So können wir auch Themen bewerten, die typischerweise nicht von Lebenszyklusanalysen für Nutztiere abgedeckt werden. Die Analyse umfasst die landwirtschaftliche Phase und für Ökobilanzkennwerte auch alle anderen Phasen über Molkereien, Schlachthöfe und den Handel bis hin zum Verbraucher und zur Abfallentsorgung.

5. Analyse der Sozioökonomie und der Steuerungs- und Regelungsmechanismen in der Wertschöpfungskette

Wir vergleichen Innovationen mit Referenzfällen im Bereich Rindfleisch/Milch anhand einer sozioökonomischen Analyse und einer Governance-Analyse. Außerdem untersuchen wir die Möglichkeiten und Grenzen des Up- und Out-Scaling für sich entwickelnde Milch-/Rindfleischketten.

  • Wir analysieren innovative Lieferketten und Referenzlieferketten mit besonderem Augenmerk auf die ökonomische Rentabilität und Stabilität der Betriebe und den regionalen Wertschöpfungsbeitrag sowie weitere 20 – 30 maßgebliche Kennzahlen (Key Performance Indicators) für verschiedene sozioökonomische Themen.
  • Wir bewerten Unterschiede bei Preisen und Kosten im der Landwirtschaft nachgelagerten Wirtschaftssektor.
  • Wir ermitteln soziale Indikatoren mit Unterstützung gesellschaftlicher Akteure und lassen wichtige Leistungsindikatoren für die Steuerung der Lieferkette in die integrative Bewertung von der Landwirtschaft bis zum Verbraucher einfließen. Neben diesen Indikatoren werden wir Daten aus Fallstudien analysieren. Mit dieser Analyse gehen wir auf die blinden Flecken der Nachhaltigkeits-Übergänge in der Agrar- und Ernährungswirtschaft ein.

6. Integrierte und vergleichende „farm-to-fork“ Bewertung von Nachhaltigkeitsinnovationen

Die Ergebnisse aus den vorangegangenen Analysen (Arbeitspakete 3, 4 und 5) fließen in eine integrative Nachhaltigkeitsbewertung vom Erzeuger inklusive der Extraktion von Rohstoffen zur Herstellung von Betriebsmitteln zum Verbraucher (farm-to-fork) ein.
Zusätzlich geben wir Einblicke in die Transformationspotenziale der erhobenen Fälle.

Wir schauen uns an, wie sich Nachhaltigkeits-Innovationen entwickeln müssen, um angemessen in die Märkte eingegliedert zu werden. Wir gehen der Frage nach, was es braucht, damit neue Lösungen auf andere Orte übertragen und in einen Governance-Rahmen überführt werden (z.B. weidebasierte Fütterung, die durch ein nationales Label geregelt wird, oder große Einzelhändler, die Tierschutzstandards durchsetzen).  Dabei beachten wir auch „gescheiterten Lebensmittel-Innovationen“, denn diese können besonders aufschlussreich sein, um Hindernisse für Veränderungen zu verstehen.

Wir beziehen verschiedene Expertisen von gesellschaftlichen Experten und projektexternen Experten ein und wollen Übergangspfade für die Milch- und Rindfleischversorgung in Österreich identifizieren.